Die Corona-Krise hat unsere Gewohnheiten grundlegend verändert: Quarantäne und Ausgangsbeschränkungen bedeuteten massive Einschnitte in unser alltägliches Leben. Nach wochenlangem Zwangsurlaub auf Balkonien und Dahamas zieht es uns mehr denn je wieder hinauf in unsere geliebten die Berge. Aber – vergleichbar mit der Wirtschaft – ist auch unser Körper noch nicht wieder in der Form, die wir gerne hätten. Deshalb gilt für den heurigen Start in die Bergwandersaison ganz besonders: Gesund und fit in die Berge!
Beitrag von Gerhard Mössmer I veröffentlicht im Bergauf Magazin 03.2020
Wandern in den Bergen fördert auf vielfältige Art und Weise unser Wohlbefinden: Wir aktivieren Herz- und Kreislauf, kräftigen unsere Muskeln, stärken unser Immunsystem, verlieren überflüssige Kilos, trainieren Koordination und Gleichgewicht.
Dasselbe trifft natürlich auch auf Joggen zu. Wie wichtig Bergwandern aber auch für unsere Psyche ist – und darin unterscheidet es sich wesentlich zum Joggen – konnten wir nach langem Entzug nur zu schmerzhaft am eigenen Leib spüren: Kein Gipfelglück, kein erhabener Ausblick von oben, keine Weite, keine grandiose, atemberaubende Naturlandschaft und kein Gemeinschaftserlebnis. Deshalb sind die positiven, psychischen Auswirkungen mindestens so bedeutend wie die physischen:
Bergwandern hebt die Stimmung, wir bauen Stress ab, Sorgen verlieren in der Höhe ihre Schwere.
Die positiven Belastungsreize für Herz und Kreislauf setzen allerdings Gesundheit und Fitness voraus, denn: Bergwandern ist nicht Spazieren gehen! Herz-Kreislaufversagen ist mit knapp 40% die zweithäufigste Todesursache beim Bergwandern. Unabhängig vom Trainingszustand sind vorangegangene Herzinfarkte, Bluthochdruck, eine bestehende Herzgefäßerkrankung, hoher Cholesterinspiegel, sowie Zuckerkrankheit weitere Risikofaktoren, die zu Komplikationen am Berg führen können. Ist einer dieser Risikofaktoren gegeben, empfehlen wir eine ärztliche Beratung bevor es in die Berge geht. Besonders jüngere Bergsportler*innen unterschätzen häufig die Gefahr einer nicht auskurierten Krankheit. Es muss nicht gleich Corona sein, auch ein grippaler Infekt reicht aus, um unseren Herzmuskel mit zu intensiver Belastung dauerhaft zu schädigen.
Besonders jetzt – nach einer längeren Trainingspause - ist es wichtig, dass wir uns für die bevorstehenden Bergtouren gut vorbereiten. Für Ausdauertraining abseits von Bergwegen gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten: Joggen, ausgedehnte Spaziergänge in sportlichem Tempo, Nordic Walking, Rennradfahren, Mountainbiken oder Cardio-Training im Fitnessstudio bieten sich dafür bestens an. Entscheidend, um dabei auch den gewünschten Trainingseffekt zu erzielen, sind richtige Intensität und Regelmäßigkeit. Die Intensität ist dann richtig gewählt, wenn du dich während der Belastung gerade noch unterhalten kannst. Zudem solltest du nach dem Training angenehm müde, aber keinesfalls komplett ausgepowert sein. Günstige Trainingsbereiche für ein Ausdauertraining liegen zwischen 60 % und 80 % der maximalen Herzfrequenz. Die maximale Herzfrequenz errechnet sich aus 220 minus Lebensalter. Für ein optimales Training innerhalb der individuellen Belastungsgrenzen ist eine Pulsuhr zum Messen der Herzfrequenz hilfreich.
Ein regelmäßiges Ausdauertraining schaffen wir am besten, wenn wir das Training in unseren Alltag integrieren. Eine einfache Möglichkeit dazu ist die Verbindung von Alltagserledigungen mit sportlichen Aktivitäten. Geschenkte Trainingszeiten sind beispielsweise die Wege zum Arbeitsplatz oder zum öffentlichen Verkehrsmittel zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Täglich 20 Minuten zügig zur Arbeit und 20 Minuten wieder nach Hause sind 40 Minuten Herz-Kreislauf-Belastung ohne großen Aufwand. Hochgerechnet auf die Arbeitswoche ergibt das 200 Minuten. Ziehen wir zudem das Treppenhaus dem Lift vor, gewinnen wir nochmal ein paar Extraminuten Trainingszeit.
Kraft ist für alle sportlichen Aktivitäten ein wichtiger Faktor. Für das Bergwandern benötige wir zum einen eine gute Stabilität im Rumpfbereich (Wirbelsäule stabilisierende Muskelgruppen) und zum anderen eine gute Kraftausdauer der Bein- und Hüftmuskulatur. Des Weiteren benötigen wir eine gute Sensibilität der tiefen Muskulatur, vor allem im Bein- und Fußbereich, die für die Stabilität des Kniegelenks und des Sprunggelenks verantwortlich ist.
Trainingshäufigkeit für Krafttraining: Das Krafttraining sollten wir mindestens 2 x pro Woche ca. 20 Minuten mit folgendem Umfang durchführen:
Die häufigste Todesursache beim Bergwandern ist der Absturz in Folge von Stolpern bzw. Ausrutschen. Mehrere Wochen Homeoffice und Couchsurfing sind für Beweglichkeit und Gleichgewichtsgefühl nicht gerade förderlich.
Zur Verbesserung der Trittsicherheit einerseits und zur Verletzungsprophylaxe andererseits macht es deshalb Sinn, vor dem Neustart am Berg gezielte Koordinationsübungen in unseren Alltag einzubauen. Wie bei jeder Trainingsmethode gilt auch hier das „Prinzip der Variation“: Je breiter die Bewegungserfahrung im Umgang mit unterschiedlichen Situationen ist, umso leichter ist es, die Bewegung zielgerichtet zu steuern bzw. anzupassen (Bergsport Trainingslehre, Kandolf, Mayrhofer) . Genau mit dieser Situation sind wir z.B. beim Gehen im anspruchsvollen Bergwandergelände ständig konfrontiert.
Besonders geeignet für koordinative Übungen sind instabile Unterlagen, wie zusammengerollte Yogamatten, Sitzkissen usw. und - für Fortgeschrittene - Wackelbretter oder Wippen. Eine einfache Übung - und ganz leicht in den Alltag einzubauen - ist 2x täglich Zähneputzen im Einbeinstand. Beherrscht man das gut, kann man die Schwierigkeit steigern, indem man die Augen dabei schließt. Wem auch das gut gelingt, der stellt sich zudem auf eine zusammengerollte Yogamatte oder ein Wackelbrett. Ebenfalls schnell und einfach sind Ausfallschritt und Beinheber.
Beim Wandern selbst können wir – vorausgesetzt wir haben keine Gelenksbeschwerden – durchaus einmal auf Wanderstöcke verzichten oder diese nur gezielt im Abstieg verwenden. Die Stöcke schonen zwar unsere Kniegelenke, sind aber für unser Gleichgewichtsgefühl kontraproduktiv.
Entscheidend für jeden Trainingseffekt sind Regelmäßigkeit und die richtige Intensität! Gesund und gut vorbereitet reduzieren wir nicht nur das Risiko eines Herz-Kreislaufproblems. Wir beugen auch ernsten Verletzungen wie Bänderrissen oder Knochenbrüchen – hervorgerufen durch Sturz oder Stolpern – vor und haben insgesamt mehr Freude am Berg, da – entsprechend trainiert - alles leichter vom Fuß geht.
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