[21.09.2017] Der Gemeinde Sexten zufolge soll das historische Helmhaus an der österreichisch-italienischen Grenze saniert und zur touristischen Nutzung als Gasthaus ausgeschrieben werden. Der Österreichische Alpenverein (ÖAV) und der Alpenverein Südtirol (AVS) sehen in diesem Vorhaben einen endgültigen Bruch mit der ursprünglichen Vereinbarung zur Schaffung eines Begegnungsortes am "Friedensweg". Die kommerzielle Nutzung des geschichtsträchtigen Bauwerks würde die Abkehr von einer längst überfälligen historischen Aufarbeitung bedeuten.
"Es würde mich ganz besonders freuen, wenn aus dem Helmhaus eine
historische Begegnungsstätte entstehen würde, welche den Heimatsteig
zwischen Sillian und Sexten gebührend ergänzt", schrieb 2013 der
damalige Landeshauptmann Südtirols, Luis Durnwalder, an den Tiroler
Landeshauptmann Günther Platter.
In einem kleinen Museum solle das Thema
"Grenzen" aufgearbeitet werden.
"Doch auf die Zusicherung von höchster Instanz, dass man sich der
gemeinsamen Vergangenheit stellen und die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit fördern würde, ist bis heute kein weiterer Schritt
gefolgt", sagt Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen
Alpenvereins (Foto links).
"Die Politik ist uns im Sinne der Euregio eine Aufarbeitung schuldig", so Ermacora.
Der Alpenverein Sillian als Eigentümer des alpingeschichtlich
bedeutenden Bauwerks war nach den Wirren des Ersten Weltkrieges
enteignet und das Helmhaus nach wechselnden Eigentumsverhältnissen an
die Gemeinde Sexten übergeben worden – unter der Bedingung, die
Liegenschaft für gemeinnützige Zwecke zu nutzen und die Alpenvereine in
die weitere Planung einzubinden.
In Zusammenarbeit von ÖAV und AVS liegt seither das Projekt "Offenes Helmhaus"vor. Im Zuge dessen sollte die sanierungsbedürftige Hütte am heutigen "Friedensweg" zu einem kleinen Museum umgebaut werden und als Treffpunkt der Alpenvereine in Ost- und Südtirol fungieren. Von einer Einbindung der betroffenen Vereine und der ausständigen Wiedergutmachung am Grenzkamm ist heute jedoch keine Rede mehr.
"Die Gemeinde Sexten hat 2006 dem damaligen Landeshauptmann sogar schriftlich zugesichert, das von den Alpenvereinen ausgearbeitete Konzept umzusetzen – gemeinsam mit AVS und ÖAV. Dieses Versprechen muss endlich eingelöst werden", fordert der Präsident des Alpenvereins Südtirol, Georg Simeoni (Foto links).
Anton Sint vom Alpenverein Sillian schließt sich dieser Forderung an: "Der Helm ist Aussichtsberg, Staatsgrenze, Mahnmal. Als Station am Friedensweg lädt er eindeutig zu einer Auseinandersetzung mit der Geschichte Tirols ein. Der Helmgipfel sollte zu einem Ort der Begegnung von drei Gemeinden, zwei Ländern und den Alpenvereinen weiterentwickelt werden. Wir appellieren dringend an unsere Landeshauptleute, sich für das Euregio-Projekt des Offenen Helmhauses einzusetzen!"
"Ich habe die Schatten des Unrechts über meiner Heimat Tirol hautnah und
unmittelbar erlebt – und auch die Schatten des Hasses", hatte
Altbischof Reinhold Stecher bei der Eröffnung des Heimatsteiges am Helm
2009 gepredigt.
Wenn es nach den Alpenvereinen geht, sollen diese "Schatten des Unrechts" nun endlich vertrieben werden.
Für die "Erbauung einer Unterkunftshütte am Helm" und "Gründung einer eigenen Alpenvereins-Section" lud am 1. August 1888 der damalige Bürgermeister Josef Schraffl, später Obmann des Tiroler Bauernbundes und Landeshauptmann von Tirol, zu einem vorbereitenden Treffen. Das Helmhaus wurde 1891 von der Alpenvereinssektion Sillian als Schutzhütte errichtet. Die Hütte stand direkt am Gipfel, in exponierter Lage, mit einem auffälligen architektonischen Merkmal: einer großen Dachterrasse aus Holz. Die Terrasse machte das Schutzhaus, das in erster Linie Tagesausflüglern diente, zu einer Aussichtsplattform.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde die Helmhütte schließlich von Österreichischen Truppen bzw. Gendarmerie in Besitz genommen, die Sektion Sillian hatte seither kein Verfügungsrecht mehr. Der Karnische Kamm wurde zur Kriegsfront.
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges fiel das Helmhaus in die Hände Italiens: Nachdem am 26.10.1920 der Verlauf der neuen Staatsgrenze definitiv festgelegt war, stand das Helmhaus auf italienischem Boden und ging 1925 in italienischen Staatsbesitz über. Die Grenze verläuft seither entlang der nördlichen Hausmauer. Bis in die 1970er-Jahre diente die Hütte als Zollhaus, stand dann leer und verfiel. Seit 1999 gehört sie dem Land Südtirol.
Noch im selben Jahr suchten die Alpenvereine in Südtirol und Österreich um eine Rückgabe des Helmhauses an den ursprünglichen Eigentümer an. Doch auch die Gemeinde Sexten bemühte sich in der Folge um den Erwerb der Liegenschaft. Nach einer öffentlichen Versteigerung machte die Gemeinde 2013 den "Vorzugstitel" aus dem Landesgesetz geltend und konnte somit – anstelle der Alpenvereine – das Helmhaus erwerben. Ein Vorzugstitel kann beantragt werden, sofern sich die Gemeinde verpflichtet, die Liegenschaft für gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Laut einem Schreiben Luis Durnwalders von 2013 würde eine Zusammenarbeit mit dem Alpenverein "von der Gemeinde in jedem Fall befürwortet".